Kürzlich hat eine Kollegin von mir einen Artikel zum Thema Qualzuchten beim Hund veröffentlicht. Das wohl populärste Merkmal einer Qualzucht stellt wohl derzeit der stark verkürzte Nasenrücken mancher kurznasiger Rassen und die damit verbundene Atemnot dar.
So lese ich in einem Kommentar unter diesem Artikel folgendes: „Cavaliere (Cavalier King Charles Spaniel)?? Qualzucht?? Eher wohl Franzosen (franz. Bulldogge), englische (Englische Bulldogge), Möpse, usw.
Bei solchen Themen wird es oftmals schnell sehr emotional und viele Menschen halten die Begrifflichkeiten wie „Qualzucht“ für übertrieben. Über das Thema Qualzucht wurden bereits viele Artikel verfasst und wer sich noch einmal genauer damit beschäftigen möchte, kann gerne einmal die Artikel meiner KollegInnen dazu lesen. Auch in meinem Buch: „FAQ Hund“ im Kynosverlag erschienen, gehe ich genauer auf das Thema Qualzucht ein.
Den heutigen Artikel möchte ich aber einmal dazu nutzen, zu erklären, warum auch der Cavalier King Charles Spaniel zu den Qualzuchtrassen gezählt werden kann, auch wenn diese Rasse nicht unbedingt durch eine Atemnot und röchelnde Atemgeräusche auffällt.
Es handelt sich um folgende Erkrankung: „Die Syringomyelie“ oder auch kurz „Syrinx“ genannt. Ganz kurz gefasst beschreibt diese Erkrankung langgetreckte, flüssigkeitsgefüllte Hohlräume im Rückenmark, die da nicht hingehören.
Wie macht sich die Erkrankung bemerkbar?
In der Folge dieser Hohlräume kann es bei betroffenen Tieren zu unstillbarem Juckreiz durch anfallartige Schmerzattacken kommen. Die Erkrankung kann sich dabei in unterschiedlich starker Form bemerkbar machen. Manche Tiere zeigen überhaupt keine Symptome, andere sind mittelschwer betroffen, während einige Hunde einen sehr schweren Krankheitsverlauf mit extrem starken Schmerzen erfahren, der letztendlich sogar zur Lähmung aller vier Gliedmaßen führen kann.
Wie entstehen diese Hohlräume?
Unser Gehirn und Rückenmark ist von einer Flüssigkeit umgeben, die sowohl der Ernährung von Nervenzellen dient, als auch für einen mechanischen Schutz des empfindlichen Gewebes sorgt. Das sogenannte Gehirnwasser (Liquor cerebrospinalis) zirkuliert im sogenannten Subarachnoidalen Raum. (Siehe Abbildung.) Es ist ganz wichtig, dass dieser physiologische Fluss nicht unterbrochen wird, also beispielsweise keine Stauung stattfindet. Ähnlich wie bei unserem Blutkreislauf.
Nun ist es aber bei Hunden, die durch einen kurzen Nasenrücken mit einem rundem Kopf auffallen (brachyzephal) so, dass die Höhle innerhalb des Schädels, in der das Gehirn liegt und Platz findet, zu klein geworden ist. Die sogenannte „hintere Schädelgrube“ ist zu klein. Am hinteren Schädel befindet sich ein Loch (Foramen magnum), durch das normalerweise das Gehirn in das Rückenmark übergeht. Das Rückenmark nimmt dann seinen weiteren Verlauf im Wirbelkanal der Wirbelsäule. Dadurch dass die Schädelgrube zu klein für das Gehirn ist, werden Gehirnanteile durch das Loch (Foramen magnum) in den Wirbelkanal gedrückt, der aber zu eng für diese Gehirnanteile ist.
Es kommt dadurch zu Quetschungen und dadurch auch zur Stauung des Gehirnwassers (Liquor). Die Nervenzellen können nicht mehr richtig geschützt und versorgt werden.
Zu diesem Problem kommt noch folgendes hinzu. Durch die Stauung des Gehirnwassers bilden dich Hohlräume innerhalb des Rückenmarks. Das Rückenmark besteht ja ebenfalls aus Nervenzellgewebe, welches dadurch zerstört wird.
Um es noch genauer zu formulieren, kann man noch zwei Formen unterscheiden:
- Unter einer Syringomyelie versteht man Hohlräume, die nicht mit dem „Zentralkanal“ des Rückenmarks, also der innersten Schicht, in Kontakt stehen.
- Eine Hydromyelie beschreibt einen Hohlraum, der mit dem „Zentralkanal“ in Verbindung steht.
Häufig handelt es sich bei betroffenen Tieren um eine Mischform, daher spricht man wissenschaftlich von eine „Syringo-hydro-myelie“.
Wichtig ist noch zu wissen, dass die Syringomyelie auch durch Verletzungen des Rückenmarks entstehen können, dazu gehören beispielsweise Entzündungen oder Blutungen, die innerhalb des Rückenmarks aufgetreten sind.
Das Problem in Deutschland
Leider gibt es in Deutschland noch sehr wenige Untersuchungen darüber, wie viele Hunde eigentlich von dieser Erkrankung betroffen sind und es an ihre Nachkommen weitergeben. Eine sichere Diagnose kann man nur mithilfe weiterer Untersuchungen erstellen, denn es muss eine MRT-Aufnahme (Magnetresonanztomographie) gemacht werden. Und so eine Untersuchung macht man ja nicht mal eben so.
Es besteht dringender Forschungsbedarf, denn es gibt dementsprechend auch noch keine einheitlichen Zuchtvorgaben, um das Auftreten dieser Erkrankung züchterisch entgegen zu wirken. Soll heißen: Mit betroffenen Tieren nicht zu züchten, damit die Nachkommen nicht erkranken.
Übrigens kommt diese Erkrankung auch bei weiteren brachyzephalen Rassen vor (beispielweise dem Affenpinscher und dem Griffon Bruxellois).
Was ist nun für uns im Training wichtig?
- Achtung bei der Auswahl der Rasse, wenn ein neues Familienmitglied einziehen soll
- Es ist sehr wichtig, über die Merkmale von Qualzuchtrassen informiert zu sein und andere Menschen freundlich darüber aufzuklären.
- Symptome erkennen lernen:
- Betroffene Rassen beispielsweise: Cavalier King Charles Spaniel, Affenpinscher, Griffon Bruxellois
- Durchschnittliches Alter bei Auftreten von Symptomen: 6 Monate bis 2 Jahre
- Anfallartige Kratzattacken im Hals- und Schulterbereich
- Schmerzhaftigkeit in der Halswirbelsäule
- Verschlechterung nach längerer Liegephase, durch Aufregung oder veränderter Köperhaltung
- Berührungsempfindlichkeit im Kopfbereich, Halsbereich, Schulterbereich oder der vorderen Brust
- Einseitiges Kratzen
- Kratzen ohne Hautkontakt
- Wirbelsäulenverkrümmung (Abbiegung des Halses weg von der schmerzhaften Veränderung
Eine großartige Übersicht und weitere spannende Fotos und Informationen findest du auf der Internetseite der veterinärmedizinischen Universität in Gießen.
Quelle: Justus-Liebig-Universität, https://www.uni-giessen.de/fbz/fb10/institute_klinikum/klinikum/kleintierklinik/Chirurgie/neurologie/Patienteninformation/c/chiari-malformation