Damit dein Hund lange und gesund an deiner Seite bleibt, ist es wichtig, dass du erkennen kannst, ob dein Hund unter chronischem Stress leidet. Denn Stress kann die Ursache für eine Vielzahl von Erkrankungen sein. In diesem Artikel gebe ich dir einen Überblick über die wichtigsten Stresssignale bei Hunden und was du tun kannst, um den Stress für deinen Hund im Alltag zu senken.
Stress-Reaktionen und Folgen beim Hund
Wenn du gebeten wirst dir einmal bewusst zu machen, welche Gefühle dich über den Tag begleiten, werden dir sicherlich viele Verschiedene einfallen, wie z. B. Freude, Ärger oder Angst. Ein Gefühl, welches dabei jedoch oft mitschwingt und nicht gleich wahrgenommen wird, ist der Stress. Das Leben wird in vielen Bereichen hektischer und schneller, es gibt Zukunfts- und Existenzängste, man nimmt sich zu viel vor, ist wie in einem „Tunnel“. Für positive Dinge bleibt dabei oft wenig Zeit.
Doch was wäre unser Leben ohne Stress?
Was heißt Stress und welche positiven und negativen Faktoren gibt es, sowohl für uns Menschen, als auch für unsere treuen vierbeinigen Begleiter?
Stress bzw. Stressfaktoren können dafür sorgen, dass wir neue Herausforderungen annehmen, unser Verstand geschärft wird und unsere Fähigkeiten erweitert oder verbessert werden.
Doch was ist Stress eigentlich?
„Stress ist ein Muster spezifischer und nicht spezifischer Reaktionen eines Organismus auf Ereignisse, die sein Gleichgewicht stören und seine Fähigkeit, diese zu bewältigen, stark beansprucht oder übersteigt.“
(Zimbardo & Gerring, Springer Verlag, 7. Auflage)
Stress kann jedoch nicht nur negativ wahrgenommen werden, er kann auch als positiv erlebt werden, z. B. wenn ihr eine Reise plant, eine Feier oder beim Sport, gemeinsam mit eurem Hund. Der sogenannte Eustress (positiver Stress) wird als überwindbar wahrgenommen und damit als „schaffbar“. Wichtigstes Merkmal ist, dass er nicht als negativ belastend empfunden wird. Er kann nach gelöster Situation die Zufriedenheit und das Selbstvertrauen stärken. Das Gegenteil davon ist der Distress (negativer Stress), den du sicherlich schon oft bewusst wahrgenommen hast.
Am schädlichsten für den Körper und die Gesundheit ist eine chronische oder langanhaltende Anspannung, denn diese kann zu ernsthaften Erkrankungen führen, wie z. B. der Schwächung des Immunsystems, Verspannungen, Schlafstörungen, Depression, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Physiologische Reaktionen auf Stress
Walter Cannon verfasste die erste wissenschaftliche Beschreibung, wie Tiere und Menschen auf Gefahr reagieren. Er fand heraus, dass im Körper Prozesse in Gang gesetzt werden, die dazu führen, sich in solchen akuten Situationen zu verteidigen, zu kämpfen oder zu fliehen. Er nannte es „Kampf-oder-Flucht-Reaktion (fight or flight). Wichtig dabei ist der Hypothalamus, welcher auch als Stresszentrum bezeichnet wird, er steuert das autonome Nervensystem und aktiviert die Hirnanhangdrüse.
Was passiert in Stressreaktionen? Die Atmung geht schneller, das Herz schlägt schneller und die Blutgefäße ziehen sich zusammen, der Blutdruck steigt: Luftwege von Rachen und Nase werden geöffnet, um mehr Luft in die Lungen strömen zu lassen. Adrenalin wird freigegeben. Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet, die wiederum weiteren Organen signalisieren, ihre speziellen Funktionen auszuführen.
Was passiert bei andauerndem Stress?
Einer der ersten Forscher auf diesem Gebiet war Hans Seyle. Er beschreibt, dass ein Organismus Unversehrtheit und Wohlbefinden erhalten bzw. zurückgewinnen muss. Er beschrieb die Reaktionen auf Stress als allgemeines Adaptationssyndrom. Dieses unterteilte er in drei Stufen: 1. Alarmreaktion, 2. Widerstandsstadium und 3. Stufe der Erschöpfung. Alarmreaktionen sind kurze Perioden körperlicher Anspannung. Wenn der Stressor länger andauert, tritt die Phase des Widerstandes ein. Der Organismus kann den anhaltenden Stressoren noch standhalten. Im Falle weiter andauerndes Stresses und starker Intensität dessen, kann es passieren, dass die körperlichen Ressourcen nicht mehr ausreichen und der Organismus geht in die Stufe der Erschöpfung über.
Auch unsere Vierbeiner geraten in stressige Situationen und reagieren darauf. Dies kann für sie genau wie für uns Menschen schwerwiegende Folgen haben.
Stress erkennst du beispielsweise an folgenden Signalen:
Körpersprache
Bei der Körpersprache ist es wichtig, nicht von einem Merkmal auf das Gesamtbefinden des Hundes schließen, denn viele Merkmale können unterschiedliche Bedeutungen haben. So kann ein Hund beispielsweise hecheln, weil ihm war, ist, es kann aber auch ein Zeichen für starken Stress, oder auch Schmerzen sein. Im Folgenden liste ich dir ein paar Merkmale auf, die bei deinem Hund auf Stress hindeuten können:
- Sich übermäßig Kratzen
- Feuchte Pfoten
- Nagen und Lecken
- Gähnen
- Hecheln
- Angespannte Körperhaltung
- Eingezogene Rute
- Steife oder zurückgezogene Körperhaltung
- Zurückgelegte Ohren
- Lippenlecken
- Übermäßiges Speicheln
- Und vor allem das Stressgesicht!
Das Stressgesicht solltest du in jedem Fall bei Hunden erkennen können. Hier siehst du ein Beispiel:
Verhaltensänderungen
Ein gestresster Hund kann Verhaltensänderungen zeigen, wie zum Beispiel vermehrtes Hecheln, Unruhe, übermäßiges Bellen, Winseln oder Jaulen, übermäßiges Kratzen oder Putzen, übermäßiges Gähnen, Zähneknirschen oder stereotype Verhaltensmuster (z. B. wiederholtes Hin- und Herlaufen).
Vermeidungsverhalten
Ein Hund kann versuchen, stressauslösende Situationen zu vermeiden, indem er sich zurückzieht, sich versteckt, den Blickkontakt meidet oder sich hinter seinem Besitzer versteckt.
Appetitveränderungen
Stress kann sich auf den Appetit eines Hundes auswirken. Ein gestresster Hund kann vermehrten oder verminderten Appetit zeigen, Futterverweigerung oder auffälliges Schlingen.
Soziale Rückzugsverhalten
Ein gestresster Hund kann in sozialen Interaktionen zurückhaltender sein, sich von anderen Hunden oder Menschen distanzieren oder aggressives Verhalten zeigen.
Körperliche Symptome
Chronischer Stress kann sich auch auf den Körper auswirken und zu körperlichen Symptomen wie Magen-Darm-Störungen, Hautproblemen, Haarausfall, Gewichtsverlust oder -zunahme, verminderter Immunfunktion und erhöhter Anfälligkeit für Krankheiten führen.
Zu welchen körperlichen Symptomen kann chronischer Stress führen?
Chronischer Stress kann beim Hund zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen. Hier sind einige häufige Erkrankungen, die mit langanhaltendem Stress in Verbindung gebracht werden:
Verhaltensprobleme
Chronischer Stress kann zu Verhaltensänderungen führen, wie beispielsweise Aggression, Angst, Unsauberkeit, übermäßigem Bellen oder zerstörerischem Verhalten.
Magen-Darm-Erkrankungen
Stress kann die Magen-Darm-Funktion beeinflussen und zu Problemen wie Magengeschwüren, entzündlichem Darmsyndrom (IBD) oder Durchfall führen.
Hauterkrankungen
Stress kann das Immunsystem beeinträchtigen und zu Hautproblemen wie übermäßigem Kratzen, Hot Spots (akute Hautentzündungen), Haarausfall oder allergischen Reaktionen führen.
Immunsystem-Störungen
Chronischer Stress kann das Immunsystem des Hundes schwächen und zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen, Autoimmunerkrankungen und anderen immunvermittelten Erkrankungen führen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Längerer Stress kann den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen, was das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinsuffizienz und Hypertonie erhöhen kann.
Harnwegerkrankungen
Stress kann zu Problemen im Harntrakt führen, wie beispielsweise Harnwegsinfektionen oder Blasenentzündungen.
Atemwegserkrankungen
Stress kann zu Atemwegsproblemen wie Asthma oder chronischer Bronchitis führen oder bestehende Erkrankungen verschlimmern.
Erkrankungen des Bewegungsapparates
Stress kann Muskelverspannungen und -schmerzen verursachen oder Gelenkerkrankungen wie Arthritis verschlimmern.
Nierenprobleme
Chronischer Stress kann die Nierenfunktion beeinträchtigen und zu Nierenerkrankungen oder Nierenversagen führen.
Stoffwechselerkrankungen
Stress kann den Stoffwechsel des Hundes beeinflussen und zu Problemen wie Diabetes, Fettleibigkeit oder Schilddrüsenstörungen führen.
Neurologische Erkrankungen
Chronischer Stress kann das Risiko für neurologische Erkrankungen wie Epilepsie oder Degenerative Myelopathie erhöhen. Bei Epilepsie ist die Stressreduktion im Alltag ein sehr wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Therapie.
Es ist wichtig zu beachten, dass chronischer Stress nicht nur körperliche Auswirkungen hat, sondern auch das Wohlbefinden und die Lebensqualität des Hundes insgesamt beeinträchtigen kann. Daher ist es wichtig, Stress bei Hunden zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ihn zu reduzieren oder zu vermeiden.
Wie kannst du im Alltag Stress reduzieren?
Ich beobachte oft Situationen, in denen Hunde gestresst sind. Gerade am Wochenende und an den Feiertagen im Mai, sehe ich wieder viele Hunde und ihre Menschen auf den Straßen und vor allem auch in Eiscafés, auf Märkten und in den überfüllten Einkaufsstraßen. Stell dir einen vollen Flohmarkt vor und versetze dich in die Perspektive deines Hundes, so klein, zwischen all den Menschen. Du kannst kaum sehen, wo es hingeht, siehst nur Beine und keinen Weg aus dem „Gewusel“ heraus. Wenn ein Hund dies nicht gewöhnt ist und die Besitzer:innen die Signale von Stress nicht richtig deuten können, führt dies zwangsläufig zu Stressreaktionen beim Hund.
In stressigen Situationen ist eine gute und sichere Begleitung sehr wichtig. Bei mir im Training möchte ich euch gern mehr für das Thema Stress beim Hund sensibilisieren und unterstützen Stressreaktionen zu erkennen.
Stressige Situationen, die sich nicht vermeiden lassen, wie beispielsweise ein Umzug in ein neues zu Hause, können mit einer guten Vorbereitung viel besser gemeistert werden. Vermeide Orte, an denen es zu stressig für deinen Hund ist und trainiere bereits im Welpen- und Junghundealter bewusst Situationen, um deinen Hund an Umweltreize zu gewöhnen.
In meinem Buch „FAQ Hund“ widme ich ein Kapitel dem Thema, in welchem Alter du deinen Welpen vom Züchter abholen solltest, um für eine gute Gewöhnung an Umweltreize zu sorgen. In der Checkliste „Was dein Welpe in der Stadt lernen kann“ gebe ich dir ein paar wertvolle Ideen, welche Orte du mit deinem Welpen aufsuchen solltest, um ihn an die Umgebung zu gewöhnen.
Im Alltag zu Hause solltest du für genügend Ruhephasen für deinen Hund sorgen. Es ist zwar sehr wichtig, dass du ihn körperlich, aber insbesondere auch geistig auslastest. Im Training mit meinen Kunden ist es aber viel öfter der Fall, dass der Hund zu Hause zu wenig zur Ruhe kommt und ständig mit irgendetwas beschäftigt ist. Ein erwachsener Hund sollte sich bis zu 18 Stunden am Tag ausruhen.